biologische Zahnmedizin
Umwelt-Zahnmedizin
Ganzheitliche Zahnmedizin
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Ganzheitliche Zahnmedizin
Eine Vielzahl von Patienten haben wurzelbehandelte Zähne im Mund und können damit problemlos kauen. Sie sind in der Regel froh, dass Zähne durch eine endodontische Behandlung erhalten werden konnten (Abb. 1).
1. Wurzelbehandelter Zahn
Manche dieser Zähne bleiben ein Leben lang schmerzfrei, andere können jedoch nach einiger Zeit schmerzhaft werden oder Entzündungsherde und Zysten bilden. Wenn solche Zähne dann entfernt werden müssen, stellen manche Patienten fest, dass sich ihre chronischen Beschwerden, wie z.B. Rheuma, Schilddrüsenprobleme, Fibromyalgie, Gelenkserkrankungen oder Hautausschläge, plötzlich bessern. Wie ist so etwas erklärbar?
Prinzipiell gilt:
Ob schmerzhaft oder nicht: Jeder devitale Zahn belastet das Immunsystem in mehrfacher Weise und schränkt damit die Regenerationsfähigkeit des Organismus, auf krankmachende Reize adäquat reagieren zu können, ein.
1. Die toxische Belastung durch „Leichengifte“
Selbst mit Behandlungsmikroskopen bei auf Endodontie (Wurzelbehandlungen) spezialisierten Fachzahnärzten können nur die Hauptkanäle der zu behandelnden Zähne aufgespürt und gesäubert werden. Das Kanalsystem zieht sich jedoch mit feinen und feinsten Ausläufern durch den gesamten Zahn (Abb. 2), also durch die Zahnkrone genauso wie durch die Zahnwurzel mit ihren Zentralkanälen und deren Verzweigungen.
Es ist sehr variabel, enorm verzweigt und überraschend voluminös, was zur Folge hat, dass selbst bei exaktesten Wurzelfüllungen, insbesondere bei Backenzähnen, oftmals nur bis zu 60 % des Kanalsystems gesäubert und abgefüllt werden können.
Auch der Einsatz eines Lasers oder der sog. Depot-Iontophosese erhöht diesen Prozentsatz nicht wesentlich. Das verbleibende Restgewebe (des ehemaligen Nervs) verbleibt im Zahn, zersetzt sich, zerfällt und wird über Polypeptide zu (Methyl-)Merkaptan, Polyaminen, Putrescin, Cadaverin etc. abgebaut. Es handelt sich hierbei um neurotoxisch und degenerativ wirkende „Leichengifte“, die relativ leicht aus dem Zahn in den Organismus gelangen und so während der gesamten Tragezeit in Minidosen das Immun- und Regulationssystem des Organismus belasten können.
2. Schematische Darstellung des weit verzweigten Wurzelkanal- systems
Ein nervtoter Zahn ist somit immer ein toxikologisches Minidepot und damit ein gesundheitlicher Dauerstress für das Immunsystem.
Versuche von Prof. B. Haley (Universität Kentucky, USA) bestätigten die toxisch relevanten Wirkungen von Mercaptan, eine Schwefel-Wasserstoff-Verbindung aus nervtoten Zähnen.
Er fand heraus, dass:
► Enzyme der Atmungskette durch wässrige Lösungen aus wurzelbehandelten Zähnen blockiert werden.
► die toxische Wirkung von Methyl-Mercaptan doppelt so groß ist wie von Schwefelwasserstoff.
► Schwefelwasserstoff in den Gehirnen junger Ratten wichtige Neurotransmitter blockiert. Ebenso werden die Aminosäuren Taurin, Glutamat und Aspartat beträchtlich vermindert.
2. Bakterielle Infektion aus wurzelbehandelten Zähnen
Jeder devitale Zahn ist, einer Reihe von Untersuchungen zufolge, permanent infiziert (vgl. Lechner 2006). Es finden sich dort Anaerobier, wie z.B. Enterococcus faecalis, E. faecalis, Actinomyceten sowie Hefepilze (Candida albicans). Diese Mikroorganismen treffen im nervtoten Zahn auf ideale Wachstumsbedingungen, kolonisieren das Kanalsystem in Form eines Biofilms und sind gegen Desinfektions-Spülungen relativ resistent.
Studien zeigen, dass vor allem Enterococcus faecalis auch intensive Desinfizierungen überlebt und dabei zum Problemkeim wird. Kein Desinfektionsmittel zeigt einen nachhaltigen antimikrobiellen Effekt gegen E. faecalis. Somit ist jeder wurzelbehandelte Zahn der Verursacher einer bakteriellen Dauer-Infektion.
3. Bakteriell induzierte toxische Belastung
Als Nebenprodukte des anaeroben Bakterienstoffwechsels im Wurzelkanal entstehen Toxine wie Hydrogensulfid (-S) und Cadaverin.
Des Weiteren produziert jedes Bakterium im Wurzelkanal durch seinen Stoffwechsel Exotoxine und setzt bei seinem Zerfall Endotoxine frei, die zusammen mit den Mercaptanen und Thioäther summierend und/oder potenzierend das toxische Geschehen eines nervtoten Zahns permanent aufrechterhalten. Ein weiteres Faktum ist, dass Anaerobier durch das Enzym L-Methionin-Lyase die Aminosäure L-Methionin u.a. in das toxische Methyl-Mercaptan umwandeln können. Methyl-Mercaptan hat, wie der Name bereits sagt („mercurius captans“), eine hohe Affinität zu Quecksilber und reagiert mit diesem zu Dimethylqueck- silber (CH3-Hg-CH3).
Dieser Stoff blockiert die aktiven Zentren der SH-Enzyme, wie z.B. Kreatin-Kinase, Adenylat-Kinase, Phosphorylat-Kinase, Phosphorylase A, Pyruvat-Kinase, Phosphorglycerat-Kinase etc., hemmt damit sehr nachhaltig die ATP-Bildung und ist somit für eine Minderung der Zellfunktionen und für eine Störung im Energiehaushalt verantwortlich.
Für Amalgamträger, die durch diese Füllung eine permanente „Quelle“ für Quecksilber im Mund mit sich tragen, sollten deshalb nervtote Zähne noch kritischer hinterfragt werden, denn Dimethyl-Quecksilber ist eines der stärksten Neurotoxine (letale Dosis > 0,1 ml). Nicht umsonst gilt es als „some of the most toxic substances known to the human“ (Dr. Johann Lechner).
4. Entzündliche Belastung durch nervtote Zähne
Jeder wurzelbehandelte Zahn ist ein toxisches Minidepot und ein Infektionsherd mit hauptsächlich anaeroben Bakterien, in deren Folge, als immunologische Reaktion, nicht ausheilbare apikale Ostitiden (Knochenentzündungen im Bereich der Zahnwurzel) entstehen.
Diese Bakterien wiederum induzieren entsprechende Makro- phagen-Aktivitäten, in deren Folge Entzündungsmediatoren wie Tumor-Nekrose-Faktor-α und verschiedene Interleukine freigesetzt werden. Diese induzieren eine permanente lokale Entzündungsreaktion.
Da bei ungünstigen genetischen Voraussetzungen diese Entzündungsmediatoren über die Lymph- und Blutbahn im gesamten Organismus verbreitet werden können, ist, je nach individuell-konstitutioneller Abwehrlage, die Gefahr von entzündlich-systemischen „Nebenwirkungen“ nervtoter Zähne in Form von chronischen Erkrankungen aller Art gegeben.
Allein durch die Ausschüttungen der Entzündungsmediatoren Interleukin-1 und Tumor-Nekrose-Faktor-α ergeben sich eine Reihe von Veränderungen mit teils vielfältigen Auswirkungen auf den enzymatischen Stoffwechsel (Abb. 3). Bei langfristigem Ungleichgewicht können so systemische Wirkungen mit höchst verschiedenartigen Symptomen, je nach individuellen Schwächen, die Folge sein. Diese Auswirkungen sind nicht vorhersehbar und für die evidenzbasierte Medizin oft nicht nachvollziehbar.
5. Die Mehrfachbelastung aus den Wurzelfüllmaterialien
Ist ein Wurzelkanal so gut wie möglich gesäubert, desinfiziert und getrocknet, wird er mit Wurzelfüllmaterialien verschiedenster Art abgefüllt. Diese enthalten Inhaltsstoffe wie Polyisoprenen, Kadmium- und Nickelfarbstoffe, Epoxidharze und in den meisten Fällen Konservierungsstoffe wie Dexamethason, Tetrajodthymol, Trioxymethylen, Formaldehyd, Paraformaldehyd, Jodoform, Perubalsam etc., vielfach sogar Sulfonamide, Antibiotika- und Kortisonzusätze, um eventuelle schmerzhafte Reaktionen zu unterdrücken. In der Regel wirken all diese Pasten zytotoxisch, gewebereizend und sind in vielen Fällen hoch allergen.
Auch Sporen des Schimmelpilzes Asper- gillus sind in wurzelgefüllten Zähnen nachgewiesen worden. Die Wirkung von Aspergillus ist von allergener und vor al- lem hochtoxischer Art.
Es ist naheliegend, dass Patienten mit wurzelbehandelten Zähnen gerne feststellen lassen wollen, wie stark in ihrem Fall ein wurzelbehandelter Zahn das Immunsystem irritiert und damit zu gesundheitlicher Beeinträchtigung führen kann. Welche Tests stehen uns also für eine Diagnostik zur Verfügung?
Wissenschaftlich anerkannte Testmethoden sind in erster Linie die Lymphozyten-Transformationstests (LTT) auf Mercaptane/Thioäther sowie auf Wurzelfüllmaterialien und die Tests auf die überdurchschnittliche Ausschüttung bestimmter Entzündungsmediatoren (= Effektortypisierung) durch die Leichengifte Mercaptan und Thioäther.
Was sagen diese Tests aus?
Ein LTT gibt ausschließlich an, ob eine Allergie vom Typ 4 (Spätreaktion) auf ein Toxin (Mercaptan/Thioäther, Wurzelfüllmaterial etc.) vorliegt. Ist dieser Test negativ, kann damit zwar eine Allergie ausgeschlossen werden. Dieser Test erlaubt aber keinerlei weitere Beurteilung über die toxische Einwirkung auf den Organismus.
3. Systemische Wirkungen bei Ausschüttungen von IL-1 und TNF-α
Ein LTT ist somit keinesfalls ein allgemeiner „Verträglichkeitstest“ (wie er oft dargestellt wird), sondern ausschließlich der Ausschluss einer Allergie.
Gleiches gilt bei der sog. Effektortypisierung. Es werden dabei verschiedene Entzündungsmediatoren (Botenstoffe) als immunologische Reaktion auf einen Reizstoff (Leichengifte, Wurzelfüllmaterial) bestimmt. Die überwiegend toxische Komponente der Belastungen aus wurzelbehandelten Zähnen kann aber auch mit diesen Tests nicht erfasst werden.
Bei der Diagnostik müssen wir sehr gezielt zwischen einer immunologischen und einer toxischen Problematik unterscheiden (Abb. 4). Während uns für das Erkennen einer immunologischen Belastung aus devitalen Zähnen verschiedene Labortests zur Verfügung stehen, gibt es für die Diagnostik der chronisch-toxischen Wirkung leider kein wissenschaftlich anerkanntes Testverfahren. Schwachpunkt aller labormedizinischen Testmethoden ist somit die Tatsache, dass chronisch-toxische Belastungen durch die aufgeführten Tests nicht miterfasst werden können.
Deshalb Vorsicht: Da die herkömmliche labormedizinische Diagnostik die toxische Belastung nervtoter Zähne mangels geeigneter Testverfahren nicht berücksichtigt, könnte die ausschließliche diagnostische Orientierung an labormedizinischen Testergebnissen sowohl Therapeuten als auch Patienten in falscher Sicherheit wiegen.
4. Unterschiedliche gesundheitliche Einflüsse von wurzelbehandelten Zähnen
Durch endodontische Maßnahmen kann die moderne Zahnmedizin heute noch Zähne erhalten, die früher „der Zange“ zum Opfer gefallen wären. Für chronisch Erkrankte stellt sich nach Meinung der Autorin jedoch eher die Frage, unter welchen Umständen es vom gesundheitlichen Aspekt her sinnvoll ist, jeden Zahn mit allen Mitteln zu erhalten.
Jeder nervtote Zahn induziert eine Mehrfachbelastung auf das Immun- und Enzymsystem des Patienten im Sinn einer allergischen, entzündlichen und toxischen Problematik. Solange die individuell-gesundheitlichen Kompensationsmechanismen diese Belastungen tolerieren und somit noch kompensieren können, liegt es in der Entscheidung des aufgeklärten Patienten, wie er damit umgehen möchte.
Spätestens wenn eine gesundheitliche Belastung aber schon so weit fortgeschritten ist, dass eine chronische Erkrankung (Rheuma, Fibromyalgie, Hautprobleme, Autoimmunerkrankung, Krebs etc.) eingetreten ist, sollte das oberste therapeutische Gebot sein, eine Entlastung des Immunsystems auf möglichst vielen Ebenen zu erreichen. Eine Zahn-Sanierung nach ganzheitlich-biologischen und umwelt-zahnmedizinischen Gesichtspunkten ist dazu ein wichtiger Bestandteil.
Beim chronisch Kranken gelten deshalb strengere Regeln als beim Gesunden!!
Die Vielfachbelastung aus unserer Umwelt, mit der sich unser Immunsystem stetig auseinandersetzen muss, steigt exponentiell. Im Gleichklang damit steigt auch die Zahl der chronisch Erkrankten. Es liegt deshalb in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen, bewusst und verantwortungsvoll damit umzugehen. Um das Immunsystem funktionsfähig zu erhalten, bedeutet das, vermeidbare Belastungen, wo immer es geht, bewusst zu minimieren. Dabei könnte auch die ganzheitlich-biologische Zahnmedizin eine bedeutende Rolle spielen. Umwelt-zahnmedizinische Kenntnisse sind dazu zwingend erforderlich.
Insbesondere in der zahnärztlichen Implantologie werden heute beispielsweise noch überwiegend Implantatkörper aus dem Werkstoff Titan verwendet. Neuere wissenschaftliche Studien und auch die Praxiserfahrung der Autorin belegen, dass das Einbringen von Metallen in den Knochen mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden sein kann, die wir bei der Verwendung eines inerten Werkstoffes, wie der Zirkondioxid-Keramik, vermeiden könnten. Gerade chronisch Kranke, beidenen das Fass der Belastungen durch eine Summation von Einflüssen bereits überläuft und deshalb zur Hebung der Kompensationsfähigkeit der Alltagsbelastungen dringend geleert werden müsste, lägen die gesundheitlichen Vorteile einer „metallfreien Umwelt-Zahnmedizin“ auf der Hand.
Zahnärztin mit den Behandlungsschwerpunkten ganzheitlich-biologische Zahnmedizin und Umwelt-Zahnmedizin. 2007-12 Studium der Zahnmedizin an der Charité Berlin, 2014 Promotion an der Charité Berlin. Seit 2012 Ausbildung im Fachbereich Umwelt-Zahnmedizin und ganzheitlich-systemischer Zahnmedizin in München, Kreuzlingen/Schweiz und Straubing. Seit 2015 Mitglied im Praxisteam der Praxis Dr. Graf & Kollegen Straubing/Niederbayern. Seit 2016 Autorin in mehreren Fachmagazinen zum Thema Umwelt-Zahnmedizin und ganzheitlich-systemische Zahnmedizin. Seit 2017 Vortrags- und Seminartätigkeit für Ärzte und Heilpraktiker.
Mitglied der DGUHT – aktiv für Mensch und Umwelt (Deutsche Gesellschaft für Umwelt- und Human-Toxikologie), des International College of Maxillo-mandibular Osteoimmunology (ICOSIM), der ISMI (international Society of Metal Free Implantology) und im wiss. Beirat des Bundesverbandes Neurodermitis.
Umwelt-zahnmedizinische Tätigkeitsschwerpunkte: Vollkera- mische Sofort- und Spätimplantate, Digitale Keramik-Sofort- Restaurationen (Cerec) und operative Sanierung entzündeter Kieferbezirke.